Textbeitrag - Betriebssystem Frau
Das Betriebssystem Frau
Gerne lade ich Sie heute auf eine neue Perspektive aufs Menschsein ein. Denken Sie bitte einmal ihren Alltag aus der Perspektive eines Menschen mit dem Betriebssystem Frau.
Wissen Sie eigentlich, wie das funktioniert? In meinem Schaffen beschäftige ich mich mit den Dynamiken meines Zyklus und deren Beziehung zur Gesellschaft und meinen Alltagsrollen. Es bin immer ich, ich als Mensch – doch wech- seln bei mir Wahrnehmung und Stimmung in den einzelnen Zyklusphasen und so ergeben sich für mich innerhalb eines Zyklus verschiedene Bedürfnisse und Alltagsrealitäten. Diese Erfahrungen übersetze ich in mein Werk, indem ich das gleiche Sujet in den vier Zyklusphasen (Aufbau, Höhepunkt/Eisprung, Rückzug/Abbau, Menstruation/Ende- Anfang) inszeniere und so dem Raum gebe, was immer da ist, aber in unseren aktuellen Gesellschaftsräumen selten bis gar nicht fokussiert oder beachtet wird.
Die Beschäftigung mit der Thematik hat mir die Erkenntnis gebracht, dass unsere Gesellschaft nicht einfach ein Hilfskonstrukt ist, um auf der Meta-Ebene zu verstehen was passiert. Sie wird auch nicht gesteuert durch einen kleinen Zirkel an mächtigen Personen, von Gesetzen oder Regeln. Unsere Gesellschaft erlebe ich als eine Dynamik, die sich immer wieder aus allen Teilnehmenden selbst ergibt. Wir selbst sind automatisch durch unser Dasein Gesellschaft, wir beeinflussen die Dynamik mit unserem Handeln und Nicht-Handeln und werden gleichzeitig durch das Handeln und Nicht Handeln von anderen Teilnehmenden beeinflusst. Teilnehmende sind sowohl Menschen, als auch die Umwelt oder Technologien und Geräte, die für uns heute
«Standard» sind, aber eben auch unsere Gefühle, Wahrnehmungen und Stimmungen.
Jahrelang wurden Frauen in den öffentlichen Räumen marginalisiert. Unsere Arbeit wurde geringgeschätzt, uns wurden Plätze, Räume und Rollenbilder zugewiesen anstatt unsere eigenen Handlungsimpulse und Vorstellungen zu fördern. Andere Räume blieben für uns verschlossen oder waren uns nur als Bedienstete und maximal in der zweiten Reihe zugänglich. Uns wurden und werden Krankheiten angedichtet, wo eigentlich gesunde Reaktionen stattfinden und eine der grössten Kräfte im Leben, die Lust, die Lebenslust wurde uns genommen, indem Sie mit der Scham besetzt wurde. Unsere Geschlechtsteile zum Beispiel, wurden offiziell als «Schamlippen» bezeichnet.
Dies geschah nicht etwa in einzelnen Gesellschaftsteilen oder Zuhause im stillen Kämmerlein bei Bruno Bockwurst. Nein, dies passiert in Lehr- büchern, im Ehevorbereitungskurs und im Aufklärungsunterricht. Und auch die Menstruation, die eigentlich der Schlüssel zum Leben ist und die Grundlage von unserer Existenz, wurde von Ärzten, Forschern und Gelehrten seit Hippokrates als Beweis für die Fehlerhaftigkeit, die Schwäche und die Unterlegenheit von Frauen gepredigt.
Doch ist das wirklich so? Fühlt sich das wirklich stimmig an?
Gerne lade ich Sie an dieser Stelle wieder ein, sich daran zu erinnern, dass wir Frauen trotz allen Widrigkeiten, allen Hindernissen und strukturellen Problemen immer wieder Wege gefunden haben, trotz- dem eine Möglichkeit zu finden. Möglich gemacht haben dies mutige Pionierinnen, die mit ihrem Beispiel, mit ihrer Arbeit, ihrem Schaffen, ihrem Beitrag eine andere Perspektive aufgezeigt haben.
Diese Frauen verbindet eins, sie haben die Dynamik stärker mitgeprägt, als die Dynamik sie selbst. Und hier möchte ich erneut einladen, eine neue Perspektive auf Gleichstellungsfragen einzunehmen. Kämpfen führt unweigerlich zu Siegern und Verlierern, verschwendet Ressourcen und hinterlässt Verwüstung und Schäden. Kämpfen ist das Prinzip Krieg.
Meiner Meinung nach haben wir genug vom patriarchalen Kriegsdenken, das sich stark verwässert in Leistungsdruck und Kapitalismus auch in unserem Alltag immer noch als Erfolgskonzept hält. Aus meiner Sicht ist es jetzt an der Zeit, das Betriebssystem Zyklus (wieder) zu entdecken und die Kraft des Erschaffens, des auf die Welt bringens und Loslassens neu kennenzulernen und als Ressource für eine neue Gesellschaftsdynamik zu implementieren.
Wollen wir mehr Teilhabe in Gesellschaftsräumen und im Kunstbetrieb, müssen wir aus meiner Sicht nicht unbedingt im Leistungshamsterrad bis zur Erschöpfung mitrennen und unsere Natur in die Norm «Mann» zwängen.
Es reicht, wenn Sie ihre gewohnte Welt, sprich ihre Alltagswelten so mitgestalten, dass es für Sie stimmig ist und andere Frauen dazu ermutigen, genau dasselbe zu tun. Wenn Sie jetzt denken, ja, das ist ja ein Klacks, probieren Sie doch einmal ihren Alltag in Einklang mit ihrem Zyklus zu bringen.
Ein Modell, wie eine neue Dynamik angestossen werden kann, ist für mich die FATart Fair mit ihrem bunten Blumenstrauss der Vielfalt an Kunstschaffenden, Kuratorinnen, Galeristinnen und Kunstbegeisterten. Hier wird deutlich, es ist möglich ohne Gewinn-Orientierung Räume zu schaffen und trotzdem über Verkäufe die Kosten zu decken. Zudem gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Stilen, Techniken und eine vielseitige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Inhaltsthematiken.
Und es gibt diese Messe nun schon zum sechsten Mal. Nehmen Sie doch dies als Prototyp, als Inspiration, auch in ihrer gewohnten Welt etwas mehr auf das Betriebssystem Frau umzusatteln und so automatisch als Nebeneffekt eine ausgewogenere Gesellschaftsdynamik entstehen zu lassen.
Mona Rosa
www.monarosa.art
www.zyklusheldin.ch
Textbeitrag für 6. FATart Fair Katalog